24. November 2012 _Leipzig. Sie tragen ihre Kluft voller Stolz. Die rechtschaffenen fremden Gesellen, Rolandsbrüder, freie Vogtländer oder fremden Freiheitsbrüder. Es sind all jene Männer, die sich neben anderen europäischen Zünften in der Conféderation Compagnonnage Europäische Gesellenzünfte (CCEG) organisieren. Wandergesellen oder Tippelbrüder, die „Platte machen“, treffen sich alle zwei Jahre zur Leipziger Denkmalmesse am Stand der CCEG. Dann zücken sie ihre Wanderbücher, legen Stock und Charlottenburger ab, unterhalten sich über Freiheit und ferne Länder, sprechen von besonderen Baustellen, den Meistern und behalten doch so viel Erlebtes ganz für sich.
„Es ist Freiheit pur“, berichtet Ulrich Schäfer aus Holzdorf bei Eckernförde. Der 35-jährige Maurermeister hat im April 2012 seinen eigenen Betrieb eröffnet und blickt immer noch wehmütig auf seine Wanderjahre zurück. Mehr als fünf Jahre sei er unterwegs gewesen. „Man ist gezwungen nur nach vorn zu sehen“, sagt er. Das Auf und Ab während der Wanderjahre habe ihn gut auf das Arbeitsleben und den Alltag vorbereitet. „Von jetzt auf gleich das Bündel schnüren und zurück auf die Straße, ist Luxus pur“, sagt der junge Mann in grauer Kluft.
Neben ihm steht Peter Schwarzbich. Er stattet seiner Heimatstadt einen Besuch ab, trägt die schwarze Zimmererkluft und die schwarze Ehrbarkeit, den Schlips der Rechtschaffenen. Peter ist Europavertreter der CCEG, reiste in den 1950er Jahren aus der DDR aus, ging auf die Walz und lebt heute in den Niederlanden. Schwarzbich besucht Prof. Manfried Gerner am Standt der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte e. V., denn beide verbindet das Zimmererhandwerk bereits seit Jahrzehnten. „Ich habe einen Eintrag vom Zimmermeister Karl Gerner in meinem Wanderbuch“, sagt Schwarzbich. Karl Gerner war der Vater von Prof. Manfred Gerner, der im Rahmen der Fachwerktriennale 12 für die Zimmerer einen Vortag über Translozierung von Fachwerkhäusern hält. Von Alters her eine Methode, die Mobile, die fahrende Habe Fachwerk von einem Ort an einen anderen zu versetzen. „Haus und Hof wurden oftmals getrennt vererbt, dann musste das Fachwerkhaus verrollt oder ab- und aufgebaut werden“, erklärt der Professor den einstigen und aktuellen Wandergesellen.
Unter ihnen ist Reinhard Bornemann, Zimmermeister und Restaurator aus Rosdorf bei Göttingen. Lange schon sesshaft geworden, zieht es ihn immer wieder hin zu seinen Kollegen. Bornemann reiste auch mit dem „Fachwerkpapst“ Gerner nach Rumänien, wo sie gemeinsam ein Bauzentrum zur Rettung der Kirchenburgen in Siebenbürgen, einem historischen deutschen Siedlungsgebiet, aufbauten. „Handwerk schafft lebenslange Freundschaften“, heißt es aus der Gruppe der Zuhörer.
Darunter auch Zimmerer Thomas Chemnitz aus Leipzig. Auch er war auf der Walz, auch er hat sein Gesellbuch in der Westentasche. Auf einen Eintrag sei er besonders stolz, erzählt der kräftige Kerl, der mit seinem Vollbart und der schwarzen Kluft aus Breitcord genauso stark scheint, wie eine deutschen Eiche. Der Eintrag, den er im Buch aufschlägt, stammt von Zimmermeister Joachim Krause aus Dresden. „Lieber Thomas, … du hast einen erheblichen Beitrag zum Gedeihen und Aussehen unserer Firma geleistet“, steht dort, datiert 1997. Der Meister schrieb über „mitreißende Energie“ und „Kameradschaft“, die herausragend waren. „Ich habe den Turm der Dresdner Annakirche verzimmert und gerichtet“, erzählt Thomas und zeigt die Zeichnung im Wanderbuch. Aber auch die Begegnung mit einem Geigenbauer, der ihm auf dem Dachboden besondere Hölzer – geschlagen im 17. Jahrhundert – zeigte, bleiben für den Leipziger unvergessen.
Meister und Gesellen erzählen alle von der Akzeptanz, die ihnen weltweit entgegengebracht würde. „Das haben wir uns auch verdient“, sagt Thomas noch, schließlich pflegten sie die Tradition und achteten darauf, dass die Fremdgeschriebenen ihren guten Ruf behielten.
Sie bekamen die Aufmerksamkeit während der Denkmal-Messe, die ihnen und den Zünften zusteht. Drei Tage lang stellten sie ihre Zünfte vor, führten Gespräche mit Messebesuchern, zeigten das Schnitzen des Wanderstockes oder den traditionellen Zimmermannsklatsch. Selbst ein lebendiges Denkmal dafür, wie ein Geselle bestens zum Meister wird: Den Blick nach vorn gerichtet und immer aufgeschaut.