8. November 2013_Wanfried. Ob an Werra, Schwalm oder Eder, sie sitzen alle in einem Boot. Der demografische Wandel und der daraus resultierende Leerstand beschäftigen die Bürgermeister im Schwalm-Eder-Kreis genauso, wie ihre Kollegen im Werra-Meißner-Kreis, wo man schon bald unter 100.000 Einwohner zählen wird.
Wilhelm Gebhard, Bürgermeister der Stadt Wanfried, hatte es im Jahr 2011 geschafft, in seiner Kommune erstmals seit 1995 wieder mehr Zuzüge als Wegzüge zu zählen. Grund ist eine Vermarktungsstrategie, die er gemeinsam mit der ehrenamtlich arbeitenden Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser verfolgt, dafür interessierten sich auch die Mitglieder des Vereins Regionalentwicklung Schwalm-Aue e. V., einem LEADER-geförderten regionalen Verbund der Kommunen Borken, Neuental, Willingshausen, Schwalmstadt, Schrecksbach und Wabern mit insgesamt 52.000 Einwohnern. Auch sie haben den Folgen des demografischen Wandels den Kampf angesagt.
In Wanfried konnten in den letzten vier Jahren 34 leerstehende Häuser an den Mann oder die Frau gebracht werden. Allein durch eine ehrenamtlich agierende Bürgergruppe gelang das, etwa die gleiche Menge verkaufte sich dann ohne Zutun der Ehrenamtlichen. In der Fachwerkstadt am Werrahafen ist der gesamte Immobilienmarkt in Bewegung gekommen, Steuer- und Gebühreneinnahmen sind gestiegen, Handel, Dienstleister und Gastronomie profitieren. „Das heimische Handwerk an erster Stelle“, so der Bürgermeister, der dem Handwerk ein Umsatzplus von 1,7 Millionen Euro benennen kann, die sie aus den von der Bürgergruppe vermittelten Objekten generieren konnten.
Dass Gebhard zweimal im Jahr alle ehemaligen Bürger anschreibe und sie über die Entwicklungen ihrer Heimatstadt informiere, sei das Eine, tagtätlich beantworte er zudem Anfragen von Menschen aus den deutschen Ballungszentren. „Sie sind auf der Suche nach günstigem Wohnraum in einer Gegend, die nicht von Lärm, Staub und Hektik beherrscht wird“, so Gebhard, der hier eine Chance für die ländliche Region Nordhessens sieht und meint, dass „kurzfristig angelegte soziale Wohnungsbauprojekte in Ballungsräumen die weitere Entleerung des ländlichen Raums fördern“. Deutschlandweit sei ausreichend Wohnraum für die Gesamtbevölkerung vorhanden, die Landes- und Bundespolitik müsse dafür sorgen, dass das Leben und Wohnen im ländlichen Raum, wo der Wohnraum vorhanden ist, attraktiver werde, so Gebhard abschließend zu den Kollegen.
Die Delegation aus dem Schwalm-Eder-Kreis besuchten das Fachwerkmusterhaus und eine Fachwerkbaustelle, das Haus aus dem frühen 18. Jahrhundert steht nur noch als Fachwerkgerüst da. Gefache fehlen, eine begonnene Sanierungsmaßnahme lag seit Jahren brach. Zimmermeister Hubertus Wetzestein hat kürzlich einen Auftrag von den neuen Wiesbadener Eigentümern für Sanierungsarbeiten im denkmalgeschützten Fachwerkhaus bekommen. „Die intensive Beratung der Hauskäufer durch die Bürgergruppe macht uns Handwerkern die Arbeit leichter“, so der Zimmermeister und Restaurator. Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz und dem Energieberater Denkmal, Jochen Steube aus Malsfeld, sorgten dafür, dass energetisch sinnvolle und bezahlbare Lösungen gefunden würden.
„Der Dreiklang aus guter Öffentlichkeitsarbeit, umfassender Betreuung der Kaufinteressenten und vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Bürgergruppe und Handwerkern ist das Erfolgsrezept des Wanfrieder Modells“, sagte Sonja Pauly, Regionalmanagerin des Regionalverbandes. Das ganze fuße auf einem „außergewöhnlich hohen Engagement aller Beteiligten“, stellte sie fest.
Was von diesem Wanfrieder Modell mit in den Regionalverbund genommen werden kann, bleibt abzuwarten. „Man kann einige gute Ansätze aufnehmen“, sagte der Schrecksbacher Bürgermeister Andreas Schultheis. Sein Amtskollege aus Schwalmstadt, Dr. Gerald Näser, hält einen Mix aus Erhalt, Instandsetzung und gleichzeitiger behutsamer Erneuerung für sinnvoll. Wanfried habe gezeigt, dass es auf Engagement der Verwaltung, der Politik und der Bürger ankäme, damit der Funke überspringt.