Altes Handwerk – neue Dämmsysteme Historische Häuser bieten jede Menge Platz für gute Ideen und energetische Fachwerk-Sanierung mit neuen Dämmsystemen, die wohngesund und ökologisch sind.
Wanfried. Dieser Moment wurde mit Spannung erwartet. Nach wenigen Monaten Bauzeit zeigt sich das historische Fachwerkhaus in der Marktstraße in Wanfried von seiner schönsten Seite. Ein Ehepaar aus Wiesbaden schafft modernen Wohnkomfort im Fachwerkhaus, das 1730 erbaut wurde. Die Konstruktion der Ostfassade hatte sie beeindruckt und auch die Denkmalschutzbehörde hat diese im Blick. Das in Hessen seltene Thüringer Leiterfachwerk mit doppelten Brüstungsriegeln ist besonders erhaltenswert.
Die Bauherren wollen das Gebäude erhalten und energetisch sanieren. Dabei nutzen sie die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten. „Im vorliegenden Fall können sie als Eigennutzer zehn Jahre lang neun Prozent der anzuerkennenden Wiederherstellungskosten gemäß § 10f EStG ansetzen“, sagt der Energieberater Denkmal, Jochen Steube. Dazu gibt es KfW-Mittel nach KfW-Programm 151, Energieeffizient Sanieren „Denkmal“, hinter dem sich ein zinsgünstiger Kredit mit effektivem Jahreszins von einem Prozent plus 2,5 Prozent der Kreditsumme als Zuschuss verbirgt. Für die Wahl des richtigen Förderprogramms und die Berechnung der Energieeinsparung braucht es einen Energieberater Denkmal, der am Ende noch die Effizienz der Maßnahmen nachweisen muss. Jochen Steube ist ein Fachmann auf diesem Gebiet, neben seiner Arbeit im Architekturbüro macht er als Ausbilder anderen Energieberatern ihre Zusatzqualifizierung für Denkmale erst möglich.
Neben dieser Fachberatung haben die Bauherren mit der Bürgergruppe für den Erhalt Wanfrieder Häuser (BGW) einen weiteren Partner an ihrer Seite. Diese ehrenamtlich arbeitende Gruppe klärte vor dem Kauf über Umbaumöglichkeiten auf und erstellte eine grobe Kostenschätzung, bei der die wohngesunde energetische Sanierung Priorität hatte. Nach dem Kauf vermittelte sie zuverlässiger Handwerker und ist weiterhin Ansprechpartner.
Der ortsansässige Zimmermeister und Restaurator wechselte einige schadhafte Riegel, Teile von Rähm, Schwelle und Streben aus. Ölfarbe von außen und die innenseitige Verkleidung der Wände mit Gipskarton waren der Grund dafür. Die Zuverlässigkeit der Tragwerke musste wiederhergestellt werden, dann wurden die Gefache mit Lehmsteinen ausgemauert. Im Inneren wird jetzt energieeffizient saniert.
„Dafür werden verschiedene Dämmsysteme verwendet, jede Wand muss gesondert betrachtet werden“, sagt der Energieberater. Lehm-Korkmischung, Holzfaser- und Mineraldämmplatten, Glasschaumgranulat und Thermo-Hanf werden verarbeitet, die neuen Eigentümer wollen in einer gesunden Umgebung wohnen. Seit dem Kauf vor einem Jahr haben sie ihren Traum vom Leben im gemütlichen Fachwerkhaus vor Augen. Dafür haben sie entrümpelt, die Farben der Fassade abgebrannt, Wände eingerissen und Bauschutt geschleppt. Die Bausünden sind weg, jetzt ist Platz für eigene Ideen.
Im Erdgeschoss wurde die Betonplatte entfernt, die auf die Gewölbekuppel der Kellerdecke gegossen worden war. Die Feuchteschäden in der Schwelle, an der die Bodenplatte ohne Absperrung anschloss, waren derart massiv, dass sie traufseitig ausgetauscht werden musste. „Die Temperaturunterschiede zwischen Betonboden, Holz und der lehmigen Erdschicht auf dem Sandsteingewölbe hat Wasser ausfallen lassen, das ins Holz gezogen ist“, sagt Energieberater Steube. Damit das nicht mehr passiert, soll eine trockene Schüttung Glasschaumschauschotter aufgebracht werden. Dieser leichter Dämmstoff hat eine Wärmeleitfähigkeit von 0,07 W/mK und entlastet mit nur 235 kg/m³ die Gewölbekuppel. Aufgrund seiner kapillarbrechenden Wirkung ist er für den neuen Fußbodenaufbau genau richtig.
Die ökologischen Baustoffe wurden vom ortsansässigen Baustoffhändler „Ökologisch Frölich Bauen“ geliefert, der sich aufgrund der immer größer werdenden Nachfrage dort angesiedelt hat. Maurermeister Matthias Wagner hat hier erstmals Lehmsteine verarbeitet und sich mit „althergebrachten“ Baustoffen und Techniken intensiv beschäftigt. Raumseitig wurden die Wände mit Cellco-Dämmlehm, einer erdfeuchten Mischung aus expandiertem Kork, Lehm, Holzvlies und Kieselgur, gedämmt. Dieses Dämmsystem wurde für die Straßenseite gewählt, weil es neben der Wärmedämmung auch Schallschutz bietet. Hinter eine „verlorene“ Lattenschalung haben Maurermeister und Geselle den Dämmstoff eingeschüttet und leicht eingestampft. „Dieses System ist für unebene Untergründe geeignet“, erklärt Matthias Wagner, der sich vor Ort von einem Mitarbeiter der Herstellerfirma Haacke GmbH aus Celle einweisen ließ. Die Aufbaustärke beträgt acht bis zehn Zentimeter, die Dämmschicht ist etwa sechs Zentimeter stark, was eine Trocknungszeit von etwa sechs Wochen bedeutet. „Die bauaufsichtlich zugelassene homogene und kapillar leitende Innendämmung hat eine Wärmeleitfähigkeit von 0,08 W/mK, das ist ein ordentlicher Dämmwert“, so der Energieberater, der anmerkt, dass ein Lehmputz zehnmal so dick aufgetragen werden müsste, um diese Dämmleistung zu erreichen. Im Ergebnis bekommen die Bauherren eine gut gedämmte, gerade Innenwand mit einem stabilen Untergrund.
Bei der Fachwerksanierung kommt es auf jedes Detail an. Malermeister Christian Anhalt verputzt die Gefache außen mit Rotkalk und schützt die Fassade gegen Schlagregen, in dem er den für Fachwerk wichtigen Schwedenschnitt anwendet. Auch als Kellenschnitt bekannt, dient er zur Trennung verschiedener Baumaterialien, durch das Ziehen einer Trennfuge im Verputz. Der Kellenschnitt erzeugt eine Sollbruchstelle, er dient aber auch dem besseren Abfließen von Spritzwasser und Schlagregen. Heute werden überlappende Putzreste mit dem Kuttermesser abgeschabt und am Holz scharf angeritzt. Die Kanten bürstet der Malermeister dann feucht ab. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und ist für den Energieberater ein Baustein dieser energetischen Sanierung. Die Hölzer werden mit reinen Leinölfarben von Leinölpro gestrichen. Die Farbgebung richtet sich hierbei nach den Farbfunden, die man auf den Althölzern gefunden hat. Im Grunde dunkelgrau mit rot, ockergelb und hellgrauen Verzierungen.
Für die raumseitige Dämmung der ersten Etage ist eine einschichtige Holzfaserdämmplatte mit einem Lambdawert von 0,038 W/mK vorgesehen. In Vorbereitung dafür wurden Bausünden entfernt, die Energieberater, Architekten, Denkmalpfleger und Handwerker allesamt haben staunen lassen. Innendämmung mit Luftschicht, Styropor an Holz und der Bauschaum als Befestigungsmaterial der Gefache, fachgerecht geht anders. Das wurde alles entfernt und mit Lehmsteinen ausgemauert, die überstehenden Holzteile werden später mit einer Schilfmatte versehen, dann die Gefache und Holzteile mit Lehmputz glatt verputzt. Auf die acht Zentimeter starken Holzfaserdämmplatten wird mit einem Zahnspachtel der Lehmputz vollflächig aufgebracht, die Platten nass in nass eingeschwemmt und gedübelt.
Für Bäder und Küchen werden Multipor-Mineraldämmplatten auf Kalkbasis verwendet. Peter Geerk, Innenarchitekt der BGW, der den Dämmstoff als diffusionsoffen, feuchteregulierend, ökologisch und nicht brennbar beschreibt, gibt die Wärmeleitfähigkeit mit 0,042 W/mK an. Diese Mineraldämmplatte wurde auch an der massiven Giebelwand der Tordurchfahrt angebracht, die zum Wohnbereich gehört. Sechs Zentimeter Innendämmung und acht Zentimeter Außendämmung mit einer Thermo-Hanf Matte der Firma Hock GmbH & Co. KG, sorgen dafür, dass der Überstand auf der Grenzbebauung nicht zu groß wird. Mit einem Ziegelbehang wird die Wand gegen Schlagregen geschützt. Die stärkere Außendämmung hat den Vorteil, dass die Wand weniger abkühlt, damit fällt weniger flüssiges Wasser aus. Bauphysikalisch und bautechnisch wäre das auch die beste Lösung fürs Fachwerk. Damit die schmucken Fachwerkkonstruktionen nicht unter der Dämmung verschwinden, sind die Dämmsysteme für die raumseitige Außenwanddämmung aber unentbehrlich.
„Die Forschung und Weiterentwicklung historischer Baustoffe, gerade im Hinblick auf die Vermeidung von Schäden und die Energieeffizienz, bietet Bauherren und Handwerkern heute ganz neue Möglichkeiten“, sagt der Energieberater. Diese einzusetzen führe zu einem besonderen Wohnraumklima, unterstütze das gesellschaftliche Ziel, die CO2-Emission zu reduzieren und den individuellen Heizenergieverbrauch zu kontrollieren.
Der Innenausbau soll im Sommer nächsten Jahres abgeschlossen sein. Dann wird sich zeigen, ob das zu erwartende besondere Raumklima eines ökologisch energieeffizienten Wohnhauses die Akteure dieser vorbildlichen Sanierung überzeugt.
Zusatzinformation: Als direkte Folge der Heizgewohnheiten können Schäden entstehen, wenn falsch gedämmt und gelüftet wurde. Sind die Temperaturen in den Gebäuden höher als außerhalb, geht der Dampfdruck von innen nach außen. Kapillar aufsteigende Feuchte oder der Schlagregen, der durch Risse und offene Fugen von außen in die Wand eindringt, können zu Schäden führen. Wasserdampf in Badezimmern oder Küchen kann zu Kondensat führen, das in der Wand von der wärmeren zur kälteren Seite wandert. An der Taupunktebene fällt die abgekühlte Luft zu flüssigem Wasser aus. Fachwerkwände, die keine Zeit zum Trocknen haben, können angegriffen und in kürzester Zeit zerstört werden. „Für historische Fachwerkgebäude ist Feuchtigkeit der größte Feind“, schreibt Prof. Manfred Gerner von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte darüber.