Kompetenzzentrum für Waldbau aus BauBuche – Ein einzigartiger Standort, mit viel Geschichte und Weitsicht in Wald und Forst
von Diana Wetzestein
Die Anfahrt zum Schwarzen Kopf ist knapp fünf Kilometer lang. Sie führt heraus aus der Stadt, weg von der Autobahn. Über einen schmalen Waldweg vorbei an Buchen, Fichten und Douglasien bis auf das Plateau. Hier, 750 Meter N.N., liegt die thüringische Stadt Suhl den Baumkronen zu Füßen, die Wasserkuppe in der Hessischen Rhön ist in der Ferne zu erkennen und auch die Feste Coburg. Der Schwarze Kopf ist ein außergewöhnlicher Platz. Entfernung und Nähe sind gleichermaßen zu spüren, erstaunlich harmonisch wirkt zudem die moderne Architektur an dieser Stelle mitten im Wald. Dort steht ein quadratisches Wohn- und Bürogebäude mit Pyramidendach. Den Treppenaufgang flankieren zwei Sandsteinlöwen. An das sanierte Bestandsgebäude schließt der Neubau an, rechteckige Kubatur mit Flachdach, großflächige Glasfronten und ein achteckiger, verglaster Turm. Der verspricht Weitblick.
Den hat der Bauherr Albert Blümel bewiesen. Der 68-Jährige empfängt seine Gäste mit einem niederbayerischen „Grüß Gott“ und erklärt, „dass der Löwe im Wappen der Familie aus dem Jahr 1595 abgebildet sei und er deshalb diesen prominenten Platz bekommen habe.“ Blümel ist Landwirt und Hobbyhistoriker. Seit den 1970er Jahren recherchiert und dokumentiert er die Familiengeschichte rund um seinen bayerischen Familiensitz bei Kelheim. „Unsere Familie wurde schon im 13. Jahrhundert erwähnt. Sie lebt seit 1831 auf unserem Bauernhof in Thronhofen. Dort habe ich selbst Metallgegenstände, Linienbandkeramiken und einen römischen Straßendamm gefunden, die uns von früheren Besiedlungen erzählen“, sagt er.
Im Jetzt und Hier glänzen Granitböden, der Hausherr lebt in lichtdurchfluteten Räumen mit moderner Haustechnik. Nichts erinnert mehr an die ehemalige NVA-Immobilie, die teilweise erhalten werden musste. Bauschutt, Asbestplatten und Unmengen weiterer Hinterlassenschaften hatte Blümel entsorgen müssen. „Der Platz war Jahrzehnte lang Sperrgebiet, NVA und NATO-Truppen waren hier stationiert, später wurden Asylsuchende hier untergebracht. Kaum zu glauben, dass hier Familien mit kleinen Kindern leben mussten“, sagt er kopfschüttelnd.
Rückblick und Weitblick
Auch darüber haben die Blümels Bilder, Texte und Exponate zusammengestellt und im angrenzenden Neubau ihre Familiengeschichte gegenübergestellt. „Neben unserem landwirtschaftlichen Betrieb produzieren wir Kompost und Humussubstrate, erzeugen regenerative Energien aus Photovoltaik, Biogas und Windkraft, bauen Energiesparhäuser und bieten Forstplanung und -verwaltung an“, sagt Blümel und dass das gesamte Know-how in die Arbeit an diesem Platz einfließen werde.
Der Neubau mit circa 200 Quadratmetern wurde für das Kompetenzzentrum für Waldbau und regenerative Energien konzipiert. Im August eingeweiht, stellt Albert Blümel darin eine Verbindung zwischen Bayern und Thüringen her und beweist: weitsichtiger Waldbau und Holzbau sind untrennbar voneinander. Fünf Projektpartner wurden bereits unter Vertrag genommen. „Wir bieten Schulungen für nachhaltige Waldwirtschaft und Waldumbau an. Waldbauern können direkt aus dem Veranstaltungsraum mit den Referenten aus Forst, Wirtschaft und Wissenschaft in unsere Waldgebiete gehen, wo wir seit zehn Jahren Waldumbau auch wirtschaftlich erfolgreich betreiben“, so Blümel.
Waldbau geht alle etwas an
Der Wald- und Wegebau musste nach dem Sturm Kyrill vorangetrieben werden, über 40 Kilometer Erdwege wurden saniert oder neu angelegt, 12 Kilometer Wege für LKW ausgebaut, da Schadholz von über 70 Hektar schnell aus dem Wald mussten. „Wir haben auch Verrohrungen beseitigt natürliche Wegefurten in Wasserläufe geschaffen, Totholz und Natursteine eingebracht, die wichtig für den Salamander und viele andere Arten sind. Mit Bergahorn und Douglasie wurde aufgeforstet, hier stehen schon über 100-jährige Douglasien, die neben der Buche gut gewachsen sind“, sagt er.
Eigentlich wollte Blümel in den 1990er Jahren lediglich eine größere Fläche Wald erwerben. Angebote fand er in Thüringen, 2003 erhielt er endlich den Zuschlag von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) für den Kauf von 876 Hektar Wald in Suhl. Blümel habe mit seinen Konzeptzielen zur naturnahen Waldwirtschaft und Erhaltung des Schwarzen Kopfes überzeugt, hieß es damals. Die Errichtung eines Seminargebäudes, in dem Fachtagungen und Weiterbildungen für erneuerbare Energien und Waldbaukonzepte angeboten werden, war ausschlaggebend. Die Umsetzung des Konzeptes stellt den Ideengeber in erster Linie selbst zufrieden. Es verschafft ihm zudem Vertrauen in der Bürgerschaft und verspricht in der aktuell schwierigen Situation im Wald auch der Forstwirtschaft schnelle Hilfe.
Denn dem Zuschlag für den Erwerb folgten die Auflagen, das Konzept des Waldkompetenzzentrums umzusetzen, den ersten Wohnsitz in Suhl anzumelden und 33 Hektar der ehemaligen militärischen Liegenschaft „Schwarzer Kopf“ mit zu übernehmen. Das Wohn- und Bürogebäude war damals Teil einer viergeschossigen, heruntergekommenen Plattenbauanlage, von der Natur zugewuchert und mit Altlasten gespickt. Blümels Ideen wurden im Grundbuch verankert, alle Aktivitäten im Forst und auf dem Schwarzen Kopf misstrauisch beäugt. „Wir mussten uns ja erst einmal kennenlernen, darum engagiere ich mich in Vereinen und helfe mit, wenn es möglich ist“, sagt er. Er habe Versprechen gehalten, mit der Eröffnung des Kompetenzzentrums die Auflagen erfüllt und Vertrauen geschaffen. Der Grundbucheintrag sei gelöscht worden. „Ansonsten wäre alles zurück übertragen worden“, gibt er zu.
Von den eigenen Buchen zur BauBuche
Der leidenschaftliche Jäger und Naturfotograf ist stolz auf seinen jetzt 1.000 Hektar umfassenden Forst Benshausen. Zum größten Teil besteht dieser noch aus Fichten. Ein Drittel sind Buchen, die verkauft er auch an die Firma Pollmeier im thüringischen Creuzburg. Sie betreibt die leistungsfähigsten Laubholzsägewerke Europas und stellt in Creuzburg die BauBuche her, einen Hochleistungsstoff, der durch hohe Festigkeiten schlankere Bauteile ermöglicht und dem modernen Holzbau viele neue Möglichkeiten bietet. Das weckte auch Blümels Aufmerksamkeit.
Der Neubau für das Kompetenzzentrums ist einzigartig an dieser Stelle. Die Skelettbauweise wurde in nur 18 Monaten ein Gebäude errichtet, in dem alle innenliegenden Bauteile aus BauBuche gefertigt worden sind. „Wir haben viel über die BauBuche gelernt und Arbeitsabläufe optimiert“, so Blümel, der eigens für dieses Bauvorhaben einen eigenen Zimmermeister eingestellt hat. Gemeinsam mit dem Pollmeier-Team und dem Architekturbüro Zissler aus Bernhardswald schufen sie einen faszinierenden Baukörper aus 54 Kubikmeter BauBuche. Gut möglich, dass unter den Platten, Trägern und Paneel auch das Buchenholz aus Blümels Wald ist. Und damit wäre der Kreislauf optimal für dieses außergewöhnliche Projekt. Buchen, aus dem eigenen Wald, gehen als Rohstoff ins nur knapp 80 Kilometer entfernte Werk nach Creuzburg und kommen als BauBuche wieder zurück nach Suhl.
Hochleistung mit Laubholz
Die helle BauBuche verleiht dem Bauwerk eine besondere Ausstrahlung. Ein innenliegender Laubengang führt den Gast ganz nah ran an die freiliegende Deckenkonstruktion. Träger überspannen den Raum zehn Meter weit. Dabei sind sie nur 80 Zentimeter stark und 15 Zentimeter breit, auch die darüber liegenden Pfetten und Streben zeigen die für die BauBuche typischen schlanken Querschnitte. Die Konstruktion wirkt unaufdringlich, präsent und ästhetisch.
Die Wände zieren Blümels großformatige Fotos. Darauf Salamander, Eidechsen, Bärwurz-Blüte, die Nebel über dem Tal. Die gegenüberliegende Glasfront zeigt Natur pur zu jeder Tageszeit ein überwältigendes Naturbildnis. Glas umschließt auch die Spindeltreppe im Turm, wo Stahl und BauBuche den Weg zur zweiten Etage im Turm ebnen. Von dort aus schaut Albert Blümel gern über Wald und Plateau hinaus. Mit dem Wissen, dass der Holzbau jetzt und in Zukunft mehr Laubholz auch aus seinem Forst braucht, hat er mit dem Neubau aus BauBuche an diesem Ort wieder einen zukunftsweisenden Weg eingeschlagen.